burggrund



6-teilige Serie, Applikation aus verschiedenen Textilien, aufgespannt auf Keilrahmen, installiert mit 30 cm langen Möbelfüßen aus schwarz pulverbeschichtetem Stahl, 6x 90 x 210 cm, 2024




Selbst bei geschlossenen Fenstern ist in den Räumen von Sch­­­­­­­­loss Welsperg der Pidigbach zu hören – das Verhältnis der Bewohner zur Ewigkeit muss, eingebettet in dieses unaufhörliche Fließen und Rauschen, innig gewesen sein. Und doch haben sie es für nötig befunden, eine Festung zu errichten, die sie abschirmt gegen die Welt und davor bewahrt, sich spurlos im allumfassenden Sein aufzulösen.

Steine über Steine, meterdicke Mauern, die Jahrhunderte bleiben, und dazwischen zerbrechliche Menschen, prächtig geschmückt in ausladendem Gewand. Alles hier spricht vom Gewicht, das gegen die Zeit in die Zeit geworfen wurde, ein Schiff und ein Anker, ein Gefährt und ein Lot – gegen das Verlorengehen in beiderlei Hinsicht: Schwere, um nicht weggespült zu werden ins Vergessen, und Wendigkeit, um nicht liegenzubleiben, sondern mit der Zeit zu reisen.











Die sechs großformatigen Bilder der Serie „burggrund“ habe ich eigens für die romanische Kapelle von Schloss Welsperg erarbeitet – und zum Teil aus eben dieser. Sie versammeln vorder- und rückseitige Elemente des Kapellengewölbes und setzen sie in Beziehung zum spröden felsigen Grund, auf dem die ganze Burganlage steht. 

Die Flächen, aus denen sich die Bilder zusammensetzen, habe ich aus Fotos von der Kapelle entwickelt; die Farbgebung spielt mit Nuancen von Grau und ist ebenfalls diesen Vorlagen entnommen. Die schwarze Linie in den Arbeiten verweist auf die Rückseite des Gewölbes. Das architektonische Konstrukt ist von hinten beziehungsweise oben gesehen mindestens so faszinierend wie von unten und innen: Die selbsttragenden Gewölbekappen, deren Volumen man von hier aus ganz anders erfasst, wirken optisch sehr massiv, sind faktisch jedoch ziemlich fragil; so entsteht über der Kapelle ein Raum, der nicht – oder zumindest nicht anders als über einen hölzernen Steg – betreten werden kann. Die schwarze Linie in den Bildern deutet in ihrer dieser besonderen Räumlichkeit gerade nicht entsprechenden Eindimensionalität auf eben die erwähnte Unbetretbarkeit und Rückseitigkeit/Unsichtbarkeit hin.
Die leuchtend gelben Elemente stehen für den titelgebenden Burggrund, sie markieren die Stelle unter der Schlossbrücke, wo der Bau buchstäblich auf den Felsen trifft, auf dem er steht. Hier ist recht deutlich eine Linie auszumachen; durch das Verbinden ihrer beiden Enden entstand eine Fläche, die in Varianten in allen Bildern aus dieser Serie wiederkehrt. Der Begriff „Grund“ ist übrigens in seinem gesamten Bedeutungsspektrum aufgerufen – im Sinne des materiellen, tragenden „Fundaments“, aber auch der ideellen „Begründung“, die immer eine Setzung ist und zweifelhaft und spröde bleibt.

Die in die Bilder eingearbeiteten auffälligen marmorierten Flächen schließlich sind Graphit-Frottagen des Wettersteins auf der Schwelle   zum Obergeschoss von Schloss Welsperg.Die Technik der Frottage
habe ich in „burggrund“ erstmals verwendet, zugleich verweisen diese Elemente werkintern auf die analoge Fotografie, die am Anfang meiner künstlerischen Arbeit stand, und dort auf mein besonderes Interesse für Oberflächenstrukturen, das sich in der haptischen Qualität der zurzeit vorwiegend verwendeten Textilien aktualisiert und fortsetzt. Die Schwelle als Denkbild oder Metapher steht damit einerseits für den künstlerischen Prozess, der zugleich die Überschreitung von Grenzen wie auch Kontinuität erfordert. Allgemein beziehungsweise auf Schloss Welsperg und das Thema der Ausstellung „zwischen kissen“ bezogen verweist die Schwelle ebenfalls auf den Übergang – in den Bildern bildet sie das Scharnier zwischen dem Burggrund und der Kapelle, also zwischen den Polen Gewicht/Gravitation und Transzendenz/Überschreitung. 

Zusammengefasst geht es in der Arbeit „burggrund“ inhaltlich um den menschlichen Versuch, sich gegen die eigene Endlichkeit und Sterblichkeit zu stemmen, der sich zum Beispiel in dem enormen Gewicht und der robusten Materialität all der vielen Steine ausdrückt, aus denen Schloss Welsperg gebaut ist. Dem steht der Bezug zur Transzendenz, zum Göttlichen gegenüber, der sich in dem architektonisch anspruchsvollen, ästhetisch sprechenden Kreuzgewölbe zeigt – einerseits im traditionell-religiösen Sinn, indem der Materialität, der Körperlichkeit, die unsere Endlichkeit gewissermaßen bedingt, die Unsterblichkeit der Seele entgegengesetzt wird, die sich in der Sphäre des Geistes mit dem Göttlichen verbinden soll; andererseits könnte man hier aber jenseits der christlichen Lehre eine abstraktere Metaphysik ansetzen, denn selbst die sublimste Transzendenz ist nicht dazu angetan, uns als Individuen Unsterblichkeit zu verschaffen, vielmehr ist ewiges Leben nur möglich, wenn wir uns dem unendlichen Strömen des Seins hingeben und uns im All auflösen.














































© Foto 1: Sarah Ambrosi; Foto 2 + 3: Grischa Lichtenberger; Foto 4, 5, 6: Anna Schäffler