diptychon,
reflektierender stoff, polyethylen-gewebe und stempelfarbe auf baumwollmischgewebe,
2 x 195x140 cm, 2024
290224/010724
Es sei mir einmal ein gewisser Illusionismus
erlaubt – wobei Illusionismus das falsche Wort ist, denn es geht ja
offensichtlich nicht darum, eine Illusion zu erzeugen, das quasifotografische
Abbild oder das Simulacrum eines Gebirges; das wäre auch gar nicht möglich, mir
zumindest und mit diesen Mitteln, aus so schematischen Formen, die durchaus
nicht aus dem Gebirge kommen, ja noch nicht einmal aus dem dreidimensionalen
Raum, sondern aus der Fläche (auch aus Berlin, aber das spielt eigentlich keine
Rolle – oder doch? Vielleicht anders als gedacht.) – buchstäblich von einer
Fläche, einer der Intention nach sehr glatten Fläche ohne sichtbare Erhebung:
von einer Glastür in der Rollbergstraße, die professionell mit Farbe bedruckt
oder bestrichen wurde, um die Passanten – die Besucher und Kunden des
mittlerweile in die Jahre gekommenen Kindl-Boulevards – mit dem allseits
bekannten P darauf hinzuweisen, dass es (wo eigentlich?) Parkplätze gebe (oder
vielmehr gäbe). Die Witterung hat aus der gleichförmigen Farbschicht dann doch
eine dreidimensionale Oberfläche gemacht – Blasen geworfen, Furchen gezogen,
Lücken gerissen. Trotzdem – und obwohl mir jetzt wie Schuppen von den Augen fällt,
dass die Rollbergstraße auf die Rollberge hinaufführt bis dorthin, wo der Boulevard
samt der erwähnten Tür mit dem P steht – hat dieser im Hinblick auf seine
Funktion gefertigte Alltagsgegenstand wenig mit dem Gebirge zu tun, an das ich
bei den darauf entstandenen und daraus herausgelösten Formen denke. Höchstens
könnte man mit ein wenig Phantasie dieselben Kräfte am Werk sehen – aber diese
sind universell, sodass sie die Analogie, die durch sie zustande kommt,
zugleich auch unterlaufen.
010324/170724 Also nicht Illusionismus,
sondern eine gewisse – vielleicht sentimentale – Figuration, eine romantische Sehnsucht
nach der Welt, nach einer Art Referenz auf etwas Bedeutsames, etwas, das
spricht, obwohl es älter ist und besser schweigt als je ein Mensch, weil es
nicht so atemlos ist, keine Gedanken denken, keine Sprache sprechen, nicht mit
Wörtern und Sätzen hantieren muss, die ohnehin da sind, die sich aufdrängen
ungeachtet ihrer Stimmigkeit, ihres Zutreffens, das sie neben ihrem Inhalt
einfach gleich mit behaupten; behaupten mit einer Virulenz, der man kaum zu
widersprechen vermag; weil alle Sprache sich ihre Referenz sucht – nicht
umgekehrt –, weil Sprache eine selbsterfüllende Prophezeiung ist, sobald sie
die Form des Gesagten angenommen hat. Illusionismus in dem Sinn, dass man sich
der Illusion hingibt, man könnte sich durch Abbildung annähern, der Welt habhaft
werden; dabei ist es das Gegenteil: Das Bild, das Wort, schiebt sich dazwischen
– und fortan stellt sich der Abgleich der Differenzen als Problem, man hat, wie
Martin Buber sagen würde, das Du verloren und die Welt zum Es gemacht; man
adressiert zwar noch die Welt, vielleicht, aber man spricht sie nicht mehr an,
nur über sie, mit Dritten, anderen Menschen, die womöglich ebenfalls vergessen
haben, was der Unterschied ist zwischen Namen und Begriffen. Oder besteht die
Illusion darin, zu glauben, man könnte je das Sein und das Seiende beim Namen
nennen? Kann Kunst das?